Die sensationelle Entscheidung des EuGH über das Thermofenster ist nun auch im Gerichtssaal des Bundesgerichtshofs angekommen. In der aktuellen BGH-Verhandlung deutet das Gericht einen neuen Schadensersatz bei Thermofenster an und ändert seine Rechtsprechung.
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Dr. Christian Meisl
Katharina Riedl
Rechtsanwältin und Expertin für Verkehrsrecht und Arbeitsrecht
Die Ausgangslage
Bei dem BGH sind noch mehrere Verfahren des Dieselskandals anhängig. In den zugrundeliegenden Sachverhalten der aktuellen Verhandlung vom 08.05.2021 geht es um Fahrzeuge der Hersteller Mercedes, VW und Audi, in denen jeweils ein Thermofenster verbaut ist.
Was ist ein Thermofenster? Das Thermofenster ist eine rechtwidrige Abschaltvorrichtung. Mit Thermofenster wird eine Software gemeint, die eine Abgasregulierung nur bei bestimmten Temperaturen zulässt.
Der BGH hat in der gegenwärtigen Verhandlung das erste Mal die Chance gehabt auf die EuGH-Rechtsprechung über die Thermofenster Bezug zu nehmen. Bisher hatte die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung einen Schadensersatz bei Thermofenster abgelehnt, weil es den Verbau der Thermofenster nicht als sittenwidrige Schädigung einstufte. Nun hat der EuGH verbindlich entschieden, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschaltvorrichtung darstellt und allein deswegen zum Schadensersatz gegen Hersteller berechtige. Insoweit folgt der BGH diesem Urteil und spricht nun den Käufern einen Schadensersatz auch bei Thermofenster zu.
Käufer von Fahrzeugen mit Thermofenster haben Schadensersatzansprüche gegen die Hersteller!
Neuer Schadensersatz bei Thermofenster
Anders als bisher deutet das deutsche Gericht jedoch die Schadensberechnung an. Bei früheren Urteilen zum Dieselskandal wurde bereits der eingegangene Kaufvertrag über ein Fahrzeug mit illegaler Abschaltvorrichtung als Schaden qualifiziert. Das hieß, dass die Betroffenen das Fahrzeug zurückgeben und den Kaufpreis gegen Verrechnung der Nutzungsvorteile zurückverlangen konnten.
Für Thermofenster sieht der BGH nun eine andere Art von Schadensersatz vor. Aus den Äußerungen der Vorsitzenden wird klar, dass auf Seiten des Gerichts zu einer Art Vertrauensschaden tendiert wird. Wie hoch dieser konkret ausfallen soll und wie er sich berechnet, bleibt noch unklar. Ersetzt werden soll wohl der durch das Thermofenster bedingte Minderwert des Fahrzeuges. Begründet wird diese anderweitige Herangehensweise damit, dass bei dem Verbau von Thermofenster bereits bei fahrlässigem Vorgehen der Hersteller den Käufern verbindlich ein Schadensersatzanspruch zugesprochen werden muss. Dieses Festhalten an der Unterscheidung zwischen den ursprünglichen Abschaltvorrichtung und den Thermofenster verwundert jedoch anhand der verbindlichen Urteile des EuGH, der die beiden Softwareeinrichtungen gleichstellt.
Der BGH folgt dem EuGH und gesteht im Grundsatz auch Ansprüche bei Thermofenster zu!
Bedeutung für die Praxis
Der BGH macht in der aktuellen Verhandlung im Grundsatz deutlich, dass er dem EuGH folgen möchte. Die Erwägungen des Gerichts führen zu einem Schadensersatz, der den Käufern von Fahrzeugen mit Thermofenster nicht mehr die Möglichkeit geben würde, den Kaufpreis zurückzuerlangen. Die genaue Berechnung würde für die Instanzgerichte erhebliche Schwierigkeiten bei der Feststellung des Schadensersatzes bereiten. Das letzte Wort ist jedoch noch nicht gesprochen. Wie der BGH die Handhabung des Schadensersatzes bei Thermofenster letztendlich für die deutschen Instanzgerichte vorgeben will, bleibt abzuwarten. Das endgültige Urteil des BGH wird im Sommer dieses Jahres erwartet.
Unsere rechtliche Beratung
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